Symbiose
Mensch und Fluss An der Stegmühle beginnt in moderner Zeit das Arbeitsleben der Lainsitz. Früher einmal hatte sie schon weiter oben zu arbeiten beginnen müssen: In Joachimstal das Dampfsägewerk speisen und in Eisenwerk einen Hammer antreiben. Hier, wo der Harmanschlagerbach in die Lainsitz mündet, gab es im Mittelalter eine Furt, neben der ein Steg für die Fußgänger über den Bach führte. Hier wechselte die "Kurze Böhmische Straße" die Flussseite. Heute steht hier eine Brücke, die Joachimstal, Angelbach und Fischbach ans Straßennetz anbindet. Die Stegmühle ist in unseren Tagen ein Sägewerk geworden, dem ein Wirtshaus im Steghof angeschlossen ist und das von Josef Schuster umsichtig und gastfreundlich betrieben wird. Die Mühle und das Gasthaus dürften wie der Steg schon im Mittelalter bestanden haben. Es ist der erste Gasthof am Lauf der Lainsitz, hier an der Furt konnten die Händler und Reisenden zwischen Böhmen und Österreich Rast machen, Pferde versorgen lassen, übernachten. Hier war eine Art Autobahnraststätte der alten Zeit, überregional, frequentiert von Menschen aller Länder, in Kontakt mit der weiten Welt. In der Neuzeit noch, in der Blütezeit der Glashütten, herrschte reges Leben. Noch im 19. Jhdt. befand sich hier ein Postamt, das für die ganze Gegend zuständig war. Zum Schutze der Furt, des Weges und des Gasthauses saß auf dem Steghof im Mittelalter ein Freier, der bewaffnet war und ritterliche Funktionen ausübte. Vor der Lainsitz liegt das flache Tal, durch das sie bis Steinbach, dem Sonnenaufgang nach, fließen wird um erst dort eine scharfe Wendung nach Norden zu nehmen. Links und rechts des Flusses liegen größtenteils Bachwiesen, manchmal aber auch kurze Strecken von neu gesetzten Wäldern oder aufgegebenen Wiesen, die nun brach liegen und auf denen sich eine üppige Vegetation und eine vielfältige Tierwelt breit machen können. Erste Abwechslung bietet die Einmündung des Angelbaches auf der rechten Seite. Hier stehen die ersten größeren Bauernhöfe am Ufer, hier ist ein richtiges Dorf, richtiges Leben. Pferde werden geweidet, Truthähne, Hühner und anderes Federvieh besuchen den Bach, Obstbäume werden kultiviert. In Angelbach steht die erste geweihte Kapelle am Lauf des Flusses, nachdem jene in Joachimstal entweiht wurde. Im 16. Jhdt. besaß Rappottenstein im Ort zehn Bauernhöfe und eine Mühle, die Bewohner hatten weit entfernten Herren Abgaben zu leisten. Im 17. Jhdt. stand hier schon eine herrschaftliche Glashütte, heute gibt es noch die Glasschleifer aus der Familie Weber. Durch saftige Wiesen, zwischen hohen Weiden, fließt der Bach ungehindert bis zu einer ersten Verengung bei Breitenberg, einem Ausläufer des Wachberges, wo zwei mächtige Bauernhöfe links über dem Tal thronen. Auf dieser Seite des Baches und parallel zu ihm zieht auch, etwas erhöht, die Landesstraße nach Steinbach. Im etwas verengten Tal trifft die Lainsitz auf die Papiermühle, eine einmalige Institution in Mitteleuropa. Hier stellt Franz Mörzinger aus Hadern und Lumpen in kleinen Mengen Büttenpapier her, eine von Künstlern und Liebhabern gesuchte Rarität. Er führt damit eine Tradition fort, die seit 1789, dem Jahr der französischen Revolution, an dieser Stelle besteht! Johann Martin Egidius Wurz gründete damals mit Bewilligung Josef II. den Betrieb. In den Jahren darauf arbeitete hier ein Meister mit drei Gesellen. Lumpen und Hadern wurden eingeweicht und mit Wasserkraft in der Art eines Hammerwerkes zerstampft bzw. durch einen sich drehenden „Holländer“ zerschnitten und zerrieben, bis daraus Blatt für Blatt aus der Bütte geschöpft werden konnte. Man versäumte den Übergang zur Mechanisierung des Schöpfvorganges und den Umstieg auf den in größerer Menge vorhandenen Rohstoff Holz, so dass die Mühle ihre Bedeutung auf dem Papiermarkt verlor. Heute kommen Schulklassen von weit her, um unter der Anleitung Mörzingers selbst Papier zu schöpfen und den ganzen Vorgang der Papierherstellung hautnah zu erleben. Die Lainsitz: Unter einer Brücke durch und fröhlich weiter! Links gesellt sich die Landstraße von Breitenberg nach Großpertholz zu ihr, die etwas weiter unten über eine moderne Brücke die Seite wechselt. Früher zweigte dort der Mühlbach für die Böhmmühle ab. Sie existiert heute nicht mehr, nur die Achse des Wasserrades liegt an der alten Stelle in einem von einem ernsthaft gefährlichen Hund beherrschten Garten. Das Tal weitet sich zur so genannten Liess. An einem Wehr zweigt Christiane Winter Wasser für ihre Turbine in Steinbach ab. Der Altbach verkommt zu einem lang gezogenen Tümpel, der Mühlbach liefert das ganze Wasser in gerader Linie dorthin, wo noch vor einigen Jahrzehnten eine Mühle Getreide zu Mehl mahlte. Mein Großvater, Franz Fochler, war lange Zeit Pächter dieser Mühle gewesen, zuvor war er an der Mühle in Brühl bei Weitra. Auch in Steinbach ist ein Gasthaus angeschlossen, auch hier war einst ein kleiner Adeliger Besitzer des Freihofes, der Straße und nahe Lainsitzbrücke beschützte. Von Süden, von Großpertholz, kommt der Steinbach herunter. Hier ist seit alter Zeit ein Verkehrsknotenpunkt. Die Böhmische Straße von Zwettl über Engelstein trifft an die Lainsitz und kreuzt sich mit der alten Fernstraße von Weitra nach Freistadt, die die Lainsitz verlässt. Der Fluss bildete von Joachimstal bis hierher die Grenze zwischen zwei großen Rodungsherrschaften: Im Norden, links des Flusses, siedelten die Kuenringer, im Süden die Herren von Stiefern-Arnstein. Die Lainsitz ist bis heute ein Grenzfluss geblieben: Rechts liegt das Gebiet der Marktgemeinde Bad Großpertholz, links das der Marktgemeinde St. Martin, in früherer Zeit Herrschaft Großpertholz bzw. Herrschaft Weitra. Ab Steinbach verliert die Lainsitz die Eigenschaft des Grenzflusses und wird Kristallisationsfaden des kuenringischen Districtus Witrensis. Von Joachimstal bis hierher: schwache Besiedlung, einzelne Häuser, Wiesen, Kleinstdörfer. Talstrecken, die von keinem Haus eingesehen werden, wo der Fluss allein mit sich ist, in Kommunikation mit dem Boden, den Weiden, den Wiesen, seinen tierischen und pflanzlichen Be- und Anwohnern. Wo in der Nacht kein künstliches Licht auf das Wasser fällt. Wo ein Geist webt, der unsagbar alt ist, vormenschlich, außermenschlich. Wenn man sich zu Fuß und allein in diese Gebiete begibt und sich am Ufer niederlässt, kann man seinen Gesang hören: Rauschen, tropfen, glucksen, surren, dunsten, wachsen, riechen, glitzern. Vertreibt diese Seele nicht von hier, sie hat sonst kaum noch einen Zufluchtsort, außer hier, an der Lainsitz, zwischen Joachimstal und Steinbach, wo Mensch und Fluss als Partner sich gegenseitig fördern und respektieren.
Literatur:
Links:
Kontakt: Onlinekarte: Stegmühle, Papiermühle, Böhmmühle, Steinbachmühle
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Die Brücke an der Stegmühle |
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Gasthof Stegmühle |
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Der Wirt |
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Mühlwasser mündet zurück |
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Drei Orte über eine Brücke |
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Truthähne in Angelbach |
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Altar für einen unbekannten Gott? |
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Blick zurück zur Stegmühle |
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Äpfel in Angelbach |
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Breitenberger Bauern |
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Pferde in Angelbach |
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Symbiose Traktor-Baum |
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Bunte Bachwiese |
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Kommunikation Ufer und Bach |
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Einzelhof rechts der Lainsitz |
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Natur pur |
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Urwiese |
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Kaskade |
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Die Brücke bei der Papiermühle |
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Rückfluss des Mühlwassers |
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Uralte Scheune bei Papiermühle |
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Büttenschöpfer Franz Mörzinger |
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Bütten |
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Hadern und Lumpen |
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Der Holländer |
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Pulpe |
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Ehemaliges Wasserrad Böhmmühle | |||
Brache Wiese bei Böhmmühle | |||
Nachbar | |||
Blick zum Grundberg | |||
Wehr Steinbachmühle: Tropfen für den Altbach | |||
Wehr Steinbachmühle | |||
Altbach als Tümpel | |||
Alles für den Mühlbach | |||
Altbach als Tümpel 2 | |||
Liss vor Steinbach | |||
Blick zurück | |||
Altbach vor Steinbach | |||
Mühlbach vor Steinbach |