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Herr über die Himmelsgewalten
Erkundungen auf dem Johannesberg

Wenn es schwer gewittert hatte und das Donnern und Blitzen gerade aufhören wollte, dann schaute meine Großmutter hinüber zum Ziegler und  prophezeite finster: "Es werd's es sehn, da Johaunsberg schickts Weda wieda zruck!" Und wirklich ging das Unwetter ein paar Minuten später noch einmal mit gleicher Heftigkeit los. Unser Hof hatte keine Blitzableiter und bei jedem nahen Blitz musste man um das Haus fürchten.

Sonst wusste ich nichts über diesen nahen "Berg", der von unserem engen Tal aus aber nicht zu sehen war. Ich wusste nur, dass er irgendwo hinter dem Wald beim Zieglerbauern sein musste, in Richtung Morgen, wie das große Wien, nur nicht ganz so weit. Nicht einmal wenn man mich dieses "Wien sehen" ließ, sah ich den Johannesberg. Das sollte nichts bedeuten, denn man wurde dabei an den Ohren gepackt und ein paar Zentimeter hochgezogen. Wien sah man dabei schon gar nicht.

Der Berg schien mir ziemlich mächtig zu sein, weil er Donner und Blitz beherrschen konnte. Irgendwie lag eine besondere Aura um ihn. Die alte Bäuerin erzählte auch von einer Kapelle dort oben und vom Kirtag am Johannestag, wo von der ganzen Gegend die Leute hinauf strömen sollten. Ich kann mich nicht erinnern, früher jemals selbst oben gewesen zu sein.

An einem späten Nachmittag im Juli 2001 besuchte ich den Johannesberg das erste Mal. Die Bilder rechts oben sind bei dieser ersten Annäherung entstanden. Zufällig stand das Kirchlein offen. Ich war alleine oben. Betete und ließ das alte Gebäude, die Statuen und die Bilder auf mich wirken. Stieg hinauf bis in das Glockentürmchen und schaute von dort in alle Himmelsrichtungen. Stieg auf den Schalenstein im Süden neben der Kirche, wo es steil einen Felssturz hinuntergeht. Stieg durch die Hecken am Fuß des Gipfel einmal rund um den Berg herum. Ich fühlte mich in die Zeit der Besiedlung unserer Gegend zurück versetzt, als an dieser Stelle eine neue Burg errichtet worden war. Als Vorposten sozusagen. Auch das jetzige alte Kirchlein steht immer noch wie ein sakrales Bollwerk außerhalb jeder menschlichen Siedlung allein mitten im Wald. Damals hab ich dem Johannes versprochen, die Geschichte der Besiedlung unserer Gegend in einer Aufbruchsgeschichte, als eine Art hochmittelalterlichen Western zu schreiben. Ich bin es ihm immer noch schuldig.

Einige Daten:

Das Kirchlein steht direkt auf der Hauptwasserscheide, dem Dachfirst Europas. Seehöhe 839m. Guter Ausblick in fast alle Richtungen, der nur durch den Plessberg (Grundberg) im Westen eingeschränkt ist.

Etwa um 1150/1160 erbaute hier Hadmar II. von Kuenring sein "novum castrum Hadmarstain", das 1162 urkundlich erwähnt wurde. Der Ort daneben heißt heute noch Harmanstein.

Es gibt Mutmaßungen, dass sich auf diesem Berg schon vor dem 12. Jh. eine vorgeschichtliche Anlage befunden hat.

Die Burg verlor Anfang des 13. Jh. an Bedeutung, als die Kuenringer in Weitra eine befestigte Stadt errichteten. Hadmarstain dürfte im Lauf des selben Jh. entweder zerstört worden oder verfallen sein. Im Jahr 1319 wurde ihre Ruine dem Kloster Zwettl geschenkt, das auf den Mauern der Kapelle ein Kirchlein errichten ließ. Patron: Johannes der Täufer.

Reges kirchliches Leben, zeitweise sogar tägliche Messe im Spätmittelalter in der "Pfarre auf dem Berg".

Aus dem 17. Jh. hört man von zahlreichen Prozessionen von der Umgebung zur Johanneskirche, die vor allem in der Bittwoche vor Christi Himmelfahrt und am Kirtag stattfanden.

Im Altarraum sind spätgotische Freskenreste zu sehen, die das Himmlische Jerusalem der Apokalypse und den Hl. Christophorus zeigen. Den Christusträger bedroht ein fantastischer roter Skorpion. Interessant ist die zeitgenössische Abbildung des Kirchleins hinter dem Heiligen: Man sieht es von einer überdachten Mauer mit Tor umgeben.

Eine wertvolle gotische Marienplastik aus der Kirche soll sich heute im Diözesanmuseum in St. Pölten befinden.

Die noch vorhandenen Plastiken sind vom Anfang des 18. Jh. und stammen von einem Tischler in Groß Gerungs. Sie zeigen am Hauptaltar die Taufe Christi durch Johannes im Jordan, darüber Gott thronend, davor große, anbetende Engel. Auf dem Altar rechts steht eine einfache Madonna mit Kind. Als ich dort war, fiel gerade das Licht der Abendsonne durch das gegenüberliegende Fenster auf sie, wodurch sie plötzlich ganz lebendig wirkte. Der linke Altar ist Allen Heiligen gewidmet.

Draußen an der rechten Langseite, etwas erhöht über der Eingangstür, liegt der Gipfelstein mit seinen unregelmäßigen Schalen. Die Fußabdrücke Christi sollen sie sein. Der Stein ragt steil über die Wand an der südlichen Seite auf. In eine der Schalen wurde 1999 ein Kreuz betoniert. Die Kuenringer und die Zwettler Mönche haben noch die Unversehrtheit dieses besonderen Felsens geachtet, indem sie Burg und Kirche daneben und nicht darauf setzten. Unsere Zeitgenossen kümmerten sich nicht darum.

Auf der Glocke im Türmchen steht: "Anno 1838, Johann Adalbert Perner in Budweis". Diese Glockengießerei besteht heute noch, allerdings in Passau.

Tipp: Wenn Sie sich die Kirche anschauen wollen, holen Sie sich einfach den Schlüssel vom Bauernhof Zeilinger am Fuß des Bergleins.

Versteck eines Unbekannten

Im Gestrüpp der Steinwand fand ich bei einem der weiteren Besuche ein altes Versteck. Unter einem massiven Block, dessen Seiten übrigens wie von Steinmetzen bearbeitet wirkten, befand sich eine kleine Höhle. Die Öffnungen nach oben waren durch morsche Rundlinge verdeckt. In der Höhle stand ein stark verrosteter Holzofen mit einem Rohr hinaus ins Freie. Einige lange Bretter dürften als Bettlager gedient haben. Es sah so aus, als hätte sich hier einer vor einigen Jahrzehnten auf längere Zeit versteckt gehalten.

Kirtag zur Sommersonnenwende

Am längsten Tag des Jahres feiert man auf dem Berg Kirtag: Ist doch Johannes der Täufer Patron der Kirche! Von überall her strömen Besucher zur Messe, die ein Pater aus dem Zwettler Kloster liest. Danach feiert man mit Musik, Essen und Trinken wie seit Hunderten von Jahren das Kirchweihfest. Früher werden noch mehr Marktstände da gewesen sein und man wird ausgelassener gefeiert haben.

Sollte an den Vermutungen etwas dran sein, dass schon vor der christlichen Besiedlung hier ein heidnische Kultstätte war, so könnte die Wahl des Johannes des Täufer zum Patron der Kirche einen tieferen Hintergrund besitzen. Dann hätten hier Kelten, Slawen oder Germanen den Mittsommer gefeiert, mit Sonnwendfeuer und brennenden Rädern. Oder der Berg hatte eine astronomische Funktion, die zur Bestimmung der Sommersonnenwende geeignet war. Ein Ansatz wäre, dass etwa der Gipfelstein als Standort oder als Kimme einer Sonnenbeobachtung gedient haben könnte.

Weitere Informationen:

Ortsbeschreibung von Harmanstein in: Heimatkunde des Bezirkes Gmünd, hrsgg. von einer Arbeitsgemeinschaft unter Walter Pongratz und Paula Tomaschek (Gmünd 1986) S 498f

Das Johanneskirchlein auf dem „Hanselberg“ bei Harmannstein. In: "Wünschelrutenwegbeschreibung" des Fremdenverkehrsverein Großschönau, S. 37f

Der Johannesberg auf austrianmap.at

     
 

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