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Der Johannisberg

Von Karl Höfer, Krems

aus "Das Waldviertel" 1953, Heft 9, S. 210-215

Das uralte Bergkirchlein auf dem Johannisberg bei Harmannstein ist jenes alte Gotteshaus, von dem unser großer Heimatdichter Hamerling, der dort als Ministrant an Feiertagen dem Herrgott dienen durfte, in weihevoller Stimmung in seinen „Stationen" schrieb: „Mein Herz selber war dann so ein Bergkirchlein, in welchem eine Feldmesse gelesen wurde."
Von der ehrwürdigen Vergangenheit, der herrlichen Lage dieses Kirchleins und von der wunderbaren Fernsicht schrieb Josef Ratay, einst Schulleiter in Spital bei Weitra, jetzt Schuldirektor in Ruhe, in seinem Roman „Der Jäger von Hadmarstein."*)
Am 5. Sonntag nach Ostern (Bittsonntag oder Sonntag vor Christi Himmelfahrt) als Kirchweihtag und am Sonntag nach dem Feste des hl. Johannes des Täufers (24. Juni) werden noch heute vom Groß-Schönauer Pfarrer Feldmessen gelesen, zu denen die Gläubigen stundenweit in Massen herbeiströmen.
Während der Sommermonate wird das Bergkirchlein von Hunderten von Fremden besucht, die nach anregender müheloser Wanderung die baulichen und figürlichen Schätze bewundern und sich an der prachtvollen Umgebung und Fernsicht erfreuen, Es ist wohl wert, nicht nur in der näheren Umgebung, sondern wenigstens im ganzen Waldviertel bekannt zu werden.
In germanischer Vorzeit soll hier ein berühmtes Heiligtum bestanden haben.
Auf dieser 836 m hohen Erhebung gründete Hadmar von Kuenring (gest. am 21. 7. 1217) im Zuge der Kolonisierung des Waldviertels im 12. Jahrhundert eine Burg, die 1162 noch neu genannt wurde. Die Burg und das zugehörige Dorf, das östlich in 723 m Meereshöhe auf einer breiten Rückfallkuppe liegt, erhielt den Namen Hadmarstein. Heute heißt das Dorf Harmannstein.
Als anläßlich der nach Norden und Westen fortschreitenden Besetzung auf dem Berge in Weitra eine geräumige Burg und ringsherum eine größere Siedlung entstand, übersiedelte Hadmar dorthin. Die Burg Hadmarstein verödete, sodaß um 1319, als die Brüder von Buchberg die öde Burg dem Kloster Zwettl verkauften, diese schon in Trümmern lag. Ob Fehden der Kuenringer, andere kriegerische Ereignisse oder Naturgewalten dazu beigetragen hatten, ist nicht bekannt. Nur die Burgkapelle, die dem hl. Johann Baptist geweiht war, stand noch. Das Kloster Zwettl lieh gegen Ende des 14. Jahrhunderts unter Einbeziehung dieser Kapelle, deren niedere Mauern noch heute im unteren Teile des Langhauses erhalten sind, zu Ehren des hl. Johannes des Täufers eine Kirche erbauen; seither heißt diese Bodenerhebung Johannisberg. Als Kirchweihtag wurde der 5. Sonntag nach Ostern festgesetzt. Um 1663 wurde die Kirche zu ihrer heutigen Größe erweitert. Es ist sehr wohl möglich daß dies anläßlich des Wiederaufbaues des Ortes Harmannstein, der im noch nicht lange beendeten Dreißigjährigen Kriege (1618 bis 1648) niedergebrannt worden war und welcher Krieg auch kaum die nahe Kirche verschont haben wird, geschah.
Der Ort Harmannstein liegt etwas südwestlich von Groß-Schönau, wohin es eingepfarrt, eingeschult und postzuständig ist. Im Jahre 1795 hatte es 18, 1890 hatte es 22 Häuser. Heute hat es 98 Einwohner. Bemerkenswert ist der am Ostausgange noch vorhandene eine steinerne Falltorpfeiler der ehemaligen Dorfumwallung, eines der wenigen, in N.Oe. noch vorhandenen derlei Kulturdenkmäler.
Auf dem Gipfel des Johannisberges ist nur wenig Platz, aber er ist zur Anlage einer bescheidenen Burg wie geschaffen. Steil fallen im Osten und Süden die Felsen ab, stellenweise durch Mauerwerk unterfangen, im Westen ist Wall und Graben noch deutlich sichtbar. Nur gegen Norden ist jede Abgrenzung verschwunden. Der Baugrund des Kirchleins gehört dem Kloster Zwettl, aller Grund herum ist Bauerngut.
Von der ehemaligen Burg sind kaum mehr Spuren vorhanden, denn zum Bau des Kirchleins und zu dessen späteren Vergrößerung wurden deren Hau- und Mauersteine verwendet. An der südlichen Längsfront, vor dem, durch einen kleinen überdachten Holzvorbau geschützten Eingange ragen massige Felsblöcke auf, deren höchster ein großes Holzkreuz trägt. Daneben winken die Wipfel der Fichten und Tannen und die Zweiglein der Birken aus dem Abgrund herauf. Weiter nach Osten, um die Mauern des Altarraumes herum, ist ein schmaler Felssteig, der über eine steile Steintreppe zum Burghof führte. Im Mauerwerk, das zum Teil diesen Felssteig stützt, ist eine kleine Fensteröffnung sichtbar, was auf unterirdische Räume schließen ließe. Auch im Burghofe ist eine muldenförmige Vertiefung, wohl der Rest eines eingestürzten Kellers. Der hier bis in die 60iger Jahre des vorigen Jahrhunderts offengestandene Burgbrunnen wurde, als ein weidendes Rind hineinstürzte, mit Steinen angefüllt u. es bezeichnet nur ein größerer Stein die Stelle. Gut erhalten ist nur die alte Mauer um den Altarraum, der angeblich die einstige gotische Burgkapelle darstellt.
Diese ist eine spitzbogige Nische mit drei Bienenzellenverglasten Spitzbogenfenstern, von denen das wetterseitige innen vermauert ist. Schlanke Strebepfeiler in schöner Steinmetzarbeit vereinigen sich hoch oben zum Schlußsteine. Links vom Hauptaltar ist eine rechteckige Nische als Sakramentshäuschen ausgebildet und durch ein uraltes, kunstvolles Eisengitter mit doppelter Sperre verschlossen und eine niedere Türe mit alten Schlössern führt in die
Sakristei. Auf dem Hauptaltare ist die Taufe Christi durch Johannes dargestellt, ein Seitenaltar stellt die hl. Maria mit dem Jesukinde dar, das mit dem kleinen Johannes spielt, der zweite Seitenaltar ist allen Heiligen gewidmet, alles ist schöne alte Holzschnitzerei. Links an der Stelle, wo der Altarraum in das Langschiff übergeht, steht auf einem niedrigen steinernen Fuße die einfache hölzerne altertümliche Kanzel. Eine schöne alte Muttergottesstatue, der hl. Georg in der Tracht des 30 jähr. Krieges auf einer Konsole, alte Kreuzwegbilder und andere zieren die Wände. Das viel jüngere Kirchenschiff ist schmucklos, hat hoch oben an der Südseite zwei halbkreisförmige Fenster, eine Tramdecke und ein altes Ziegelpflaster, auf dem einfache Holzbänke stehen. Rückwärts führt eine Holztreppe zum hölzernen Chorraum und dann auf den Dachboden. Das Kircheninnere, mit Ausnahme der Steinmetzarbeit ist einfach geweißt; alles Holz ist naturbelassen und altersgeschwärzt. In seiner ehrwürdigen Einfachheit macht es einen ergreifenden und erhebenden Eindruck.
Das steile alte Schindeldach mit dem Dachreiter, der eine Glocke birgt, wurde vor etwa 20 Jahren durch Eternit erneuert.
Das Kirchlein steht unter Denkmalschutz. Auf Vischers Topographie 1672, Bild der Burg Engelstein, sieht man im Hintergrund das Kirchlein St. Johannes am Perg.
An den Tagen, da im Kirchlein eine hl. Messe gelesen wird, zu der die Bevölkerung von nah und fern herbeikommt, bei der die Musikkapellen umliegender Orte mitwirken und Lehrersänger mit den Leuten singen, und die in ihrer Gottesnähe und Einsamkeit und durch geschichtliche Erinnerungen besonders erhebend wirkt, schließt sich dann eine Art Kirchweihfest an, bei welchem sich die Besucher für den Heimweg stärken. Zum Kirchweihfeste kamen aus den benachbarten Orten Prozessionen; am Montag in der Bittwoche kamen solche aus Spital und Schweiggers.
Die Burg Hadmarstein war einst ein wichtiger Verbindungspunkt zwischen Arbesbach und Weitra, wo durch „Kreidfeuer" die Annäherung des Feindes signalisiert wurde. (Siehe Waldviertler Heimat Nr. 9 von 1952).
Im Walde am Bergabhange sind etliche trichterförmige Vertiefungen zu sehen, die der Volksmund als „Wolfsgruben" bezeichnet und die möglicherweise wohl die Reste von Grubenfallen gegen die hier oft massenhaft aufgetretenen Wölfe sein können.
Wie nicht anders zu erwarten ist, knüpfen sich an die verschwundene Kuenringerburg verschiedene Sagen von unterirdischen Gängen und Kellern mit verborgenen Schätzen, die schon oft und selbst in unseren Jahren Schatzgräber zum verbotenen Nachsuchen verleiteten. So wollten nach dem ersten Weltkriege zwei Landstreicher durch die oben erwähnte Fensteröffnung in der Mauer unter dem Felssteige in den Berg eindringen, wurden aber verscheucht und später in der Umgebung verhaftet.
Einstmals sollen hier auch in der Johannisnacht, die zu solchen Unternehmungen besonders geeignet ist, zwei Männer nach Schätzen gegraben haben. Beim Schatzgraben aber darf man nicht sprechen. Schon waren die beiden auf eine Truhe gestoßen und begannen sie an den Henkeln zu heben. Aber die Truhe war schwer. Da glaubte der eine, daß der andere sich nicht genug anstrenge, und rief zornig, ob jener glaube, daß nur er sich allein plagen solle. Durch das Reden aber war der Bann gebrochen, der Schatz wieder verzaubert, die Truhe wieder verschwunden und anstatt der Henkel hielt jeder nur eine Baumwurzel in der Hand.
Alle hundert Jahre in der Johannisnacht öffnet sich im ehemaligen Burgstall eine sonst unsichtbare Türe und es zeigt sich ein hellerleuchteter Gang, der zu einem weiten Gewölbe führt. Da stehen große Geräte und Geschirre aus Gold und Silber und aus offenen Truhen schimmert gemünztes Gold und funkeln Juwelen, in einer Menge, die eine Wahl schwer macht. Und der Eindringling, der nicht rechtzeitig mit gefüllten Taschen die Höhle verläßt, ist für immer verloren; denn mit dem Schlag „Eins" der Uhren schließt sich unweigerlich die Türe; draußen ist alles wie früher und erst in wieder hundert Jahren wiederholt sich dasselbe Ereignis.
Von der Burg Hadmarstein soll über Groß-Schönau ein unterirdischer Gang in die Burg Weitra geführt haben, aber niemand weiß Ein- und Ausgang.
Ein, allerdings kürzerer, Aufsatz über den Johannisberg von mir erschien in „Das Waldviertel, Folge 6 von 1936." Die geschichtlichen Daten entnahm ich größtenteils den geschichtlichen Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt, Band XII von 1939, Seite 455/56. Hier möchte ich auch noch dem Hw. Herrn Pfarrer von Groß Schönau, P. Rainer Flicker, für seine liebenswürdigen Aufschlüsse danken.
Der Johannisberg kann von der Waldviertelbahn, Station Weitra (altes befestigtes Städtchen) über Groß-Schönau (Kirche, Pranger, Hamerlinghaus) oder St. Wolfgang (Kirche, Linde), von der Station St. Martin über Sulz und von der Station Steinbach- Groß-Pertholz über Mühlbach (noch in Betrieb stehendes Hammerwerk mit Bierausschank) erreicht werden. Alle Wege führen durch eine hügelige, anmutige Gegend und erst am Schluß ein Stück durch steilen, düsteren Bergwald zum Kirchlein, wo sich eine herrliche Fernsicht darbietet.
Der Schlüssel zum Kirchlein erliegt im obersten Bauernhofe von Harmannstein, wo auch eine Begleitperson zum Kirchenbesuch zu haben ist.

Karl Höfer

*) Erschienen im Hubertusverlag in Wien, XV., Hütteldorferstraße. Hefte vergriffen.