Grenzgang
I:
Den Fischbach entlang bis zur Lainsitz Das erste Mal wollte ich ja
schon letztes Jahr von der Ganausbrücke bis zur Grenze gehen, doch ich bin
nicht durchgekommen. Der Fluss war ganz anders auf einmal, nicht mehr mit
festem, klarem Ufer, so wie er es bisher gewesen ist. Verschlungen,
zerfließend, träge und doch wild. Ein paar hundert Meter
vor der Grenze musste ich umkehren.
Wenn du nicht direkt herankommst,
dann mach einen Umweg. Über den Fischbachweg links der Lainsitz. Das tat
ich. Auch noch
im vorigen Jahr. Die Straße zog sich lang dahin, plötzlich kam eine weite
Lichtung, darauf eine riesige, umzäunte Anlage. "Abwasserverband Lainsitz"
stand auf dem eisernen, automatischen Tor. Das haben sie geschickt gemacht:
Mitten im großen Gmünder Stadtwald, von keiner Straße einzusehen, haben sie
eine der größten Kläranlagen Niederösterreichs mit einer Bemessungskapazität
von 50000 Einwohnern hingeklotzt. Aus den Augen, aus dem Sinn, werden sie
gedacht haben. Auch die Abwasser in der Lainsitz bekommt hier, so knapp vor
der Grenze, kein Österreicher mehr vor Augen.
Knapp hinter der Kläranlage
kommt der Fischbach, der über mehr als einen Kilometer vor seiner Mündung
die Grenze bildet. Ein schmaler Steifen links und rechts ist frei gerodet,
sonst Wald, kein Steig. Drüben auf der böhmischen Seite, gut versteckt,
immer wieder Wachstände, ähnlich unseren Jagdständen. Kulisse des Kalten
Krieges.
Als ich die
Lainsitz erreichte, dachte ich endlich an der Stelle zu sein, an der sie nach Böhmen wechselt.
Später musste ich feststellen, dass noch ein gutes Stück auf der gegenüber
liegenden Seite österreichisches Ufer ist und die Grenzbefestigung noch
weiter flussabwärts liegt. Dort, wo die Lainsitz gesiebt wurde, damit kein
Spion hinüber und kein Republikflüchtling herüber kommt. |