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Wadi Lainsitz
Der Fluss ausgetrocknet in Oberbrühl (2003)

Das trockene Stück in der Kurve von der Kreuzerbrücke bis zum Unterwasser des ehemaligen Hammerwerkes Kugler war nur einige Meter lang. Anfang August 2003, als ich von Tiefenbach bis knapp vor Brühl ging, lag der Bach von dem Wehr der Krauskopfmühle bis zum Rückstau des eh. Hammerwerkes Josef Pölzl auf etwa 400 Meter vollkommen trocken! Es war heuer ein außergewöhnlich heißer Sommer, doch hätte die Lainsitz an sich immer noch Wasser geführt, wenn nicht die Besitzer der jeweiligen Kleinkraftwerke sein ganzes Nass an sich gerissen hätten. Kugler und Krauskopf werden nicht die einzigen gewesen sein und auch nicht aus bösem Willen gehandelt haben. Die Turbinen müssen laufen, damit sie Geld bringen. Die Betriebe an den ehemaligen Mühlen- oder Hammerstandorten haben Zuverdienst dringend nötig. Die Wehre sind bei Niedrigwasser schwer zu regulieren, also macht man die Schleusen auf und lässt alles in den Mühlbach fließen. Es regt sich ohnehin keiner auf darüber, wie es scheint. Es verwundert nur, dass sich nicht einmal der Eigner des Fischereirechts an diesen Abschnitten, Fürstenberg, um Abhilfe kümmert. Die stummen Wassertiere selbst können nur dulden und darben. Im vorigen Jahr wurde ein Großteil der Population durch das Hochwasser weggeschwemmt, heuer versiegte der Bach zwischen den Wehren und den Rückflüssen der Mülhbäche, unterbrach jede Wandermöglichkeit und engte den Lebensraum für die Fische ein.

Die Fische können sich nicht wehren. Der Bach kann sich nicht wehren. Wir Menschen, die zum Denken von der Natur ausgestattet wurden, sollten uns dieser dafür auch ein wenig erkenntlich zeigen und für die Natur mitdenken. Der Bach ist und war eine der Quellen des Wohlstandes, manchmal sogar von Reichtum. Die vielen Mühlen und Sägewerke, die er trieb, brachten ihren Besitzern ein gutes Einkommen. Der Bach wusch die Häute der Gerber und trieb die Hämmer der Schmiede. Er bewässert die Wiesen der Bauern in den Tälern. Er schwemmte die Bäume der Forstbesitzer in die Städte. Er füllte die Karpfenteiche der Herrschaften mit Wasser. Er lieferte die Forellen für den Fastentisch der Reichen. Heute noch profitieren die Nachkommen der Müller vom Wasserrecht, indem sie Strom aus der kostenlosen Wasserkraft generieren und an den Verbund verkaufen. Der einzige Wirtschaftszweig, für den derzeit Wachstum zu erhoffen ist, der Fremdenverkehr, lebt in unserer Gegend zum Großteil von der Natur und daher auch vom Fluss. Also, ihr esst Brot, das er euch gibt und lebt von ihm. Lasst ihm dafür auch in heißen Sommern ein wenig Wasser, damit er, seine Fische und die ganze Flusswelt leben können!

Gerade an diesem Streckenabschnitt findet sich ein gutes Beispiel dafür, wie die Lainsitz zum Wohlstand ihres Tales beitrug. Am Standort der ehemaligen Papiermühle in Oberbrühl baute Heinrich Hackl in den 60er Jahren des 19. Jhts. eine Webmanufaktur auf, die in ihren besten Jahren mehrere hundert Arbeiter beschäftigen sollte. Hackl hatte als Verleger Erfahrungen in der Stofferzeugung gesammelt, in Wien gab es seine Firma seit 1843. Die Technisierung der Weberei machte es zu dieser Zeit erstmals sinnvoll und lukrativ, das Garn nicht mehr nur an die vielen bäuerlichen Heimweber zu verlegen, sondern auch in der Fabrik zu verarbeiten. Es war der Einsatz des Unternehmers, die Arbeit der Fabriksweber, aber auch die Kraft der Lainsitz, die zur Akkumulation eines kleinen Reichtums für den Besitzer und zum Unterhalt der Arbeiter beitrugen. Die Maschinen der Manufaktur wurden nämlich durch ein Wasserrad über ein System von Transmissionsriemen angetrieben. Ab 1869 wurde zusätzlich mit Dampf gearbeitet, 1893 eine Turbine eingesetzt.

Im Jahre 1906 stellte man den Betrieb in der Hackl-Fabrik ein, "aus Gründen der Finanzierungsschwierigkeiten, des Risikos und aber auch deshalb, weil die Familienangehörigen andere höhere Berufe erlernt hatten"1). So leitet heute Universitätsprofessor Diplomingenieur Doktor Albert E. Hackl, Nachfahre des Gründers, ein viel beachtetes Museum, das in den Hallen der ehemaligen Fabrik untergebracht ist. Das "Museum alte Textilfabrik" vermittelt in sechs Räumen anhand von 700 Exponaten alles rund um das verwobene Garn: Weberei, Stoffmode, Weberleben. 2) Hackl besitzt auch das "'Pagoden-Herrenhaus' nebenan (... einziges noch erhaltenes 4-feldriges Walmdach im deutschsprachigen Raum)". Es sei ihm vergönnt, stellt er doch einen Teil seines Vermögen durch das Museum in den Dienst des Allgemeinwohls. Es bräuchte noch viel mehr Menschen seines Schlages, die an der Lainsitz wirken.

Das städtische Feibad war ab 1935 am Hackl- bzw. Fabriksteich.
An diesem Teich ist heute kein Bad mehr, dafür steht dort ein Eisenkreuz mit den Namen Kurt Kolroß, Wilhelm Rausch und Rudolf Witeschnik. Darunter das Datum 5. 8. 1945. Es ist nun bald sechzig Jahre her, dass an diesem Ort drei Buben beim Spielen mit Kriegsgerät tödlich verunglückt sind. Im Teich war bei Kriegsende Munition deponiert worden. Das Bad verlegte man in Folge 1948 hinauf zum Hausschachenteich.

Die Lainsitz hat mit der Kleinrathmühle etwa das Niveau des großen Wittingauer/Treboner Beckens erreicht. Nur noch in Gmünd wird sie über Granitfelsen eine deutliche Stufe hinuntersteigen. Im Ledertal und in Oberbrühl erlebte sie ihre letzten stürmischen Phasen, ab nun wird es ruhig für sie. Von ihrer Quelle bis hierher fiel sie auf etwa 30km Weg an die 500m. Bis zur Mündung in Tyn sind es 160km mit insgesamt nur noch 100m Gefälle! Das letzte Stück ab Tabor wird noch einmal lebhafter, die Lainsitz durchschneidet dort das Randgebirge des Beckens. Bis sie sich, aufgegangen in der Moldau und mit dieser in der Elbe, in Hamburg mit dem Meer vereinigt, ist es noch unvorstellbar weit. In der Vertikalen hat der Bach aber in Weitra schon den halben Weg hinter sich!

An dem Ort, wo das Marterl am Mühlbach steht, soll einmal ein Hochzeitsfuhrwerk umgestürzt und die Braut verschwunden sein. Vielleicht leben die mythischen Brautdiebe gleich dahinter im Frauengarten, einer wundersamen, bewaldeten Anhöhe an dem Wehr der Krauskopfmühle. Es ist ein Steinbruch dort, der Hügel ist oben eigenartig flach und am Rand steil zum Bach abfallend. Als ich dort war, umfing mich eine sonderliche Stimmung, wie Sehnsucht. Es ist ruhig dort, wie in einem Versteck fühlt man sich. Man bekommt Sehnsucht nach einer Welt, die klein ist und die mit Sinn erfüllt ist. Nach einer Welt, die mit der Natur im Einklang lebt. Nach einer Welt, in der der einzelne Mensch Bedeutung hat, wie in alten Märchen. Nach einer Welt, in der Kobolde und Feen in die Menschenwelt eingreifen, weil ihrem Bach das Wasser abgegraben wurde. Nach einer Welt, in der Wesen da sind, die sich unabhängig vom Menschen um die Erde kümmern. Nach einer Welt, in der man den Dingen eine Seele zuschrieb und sie daher mit Rücksicht behandelte.


 

Das Wadi Lainsitz 2003 auf austrianmap.at

1) 800 Jahre Weitra, S. 359

2) Im Internet: Museum alte Textilfabrik

Brücke nach
Tiefenbach
 

Abwasser

Kleinburg

Flussvolk

Privatbrücke
 

Arbeitsmuseum
eh. Steinmühle/
Weberei Hackl

Großhaus
eh. Papiermühle

Nachkriegskinder

Akkumulierter
Mehrwert

Eh. Frauenmühle

Baumliebe

Eh. Steg bei Frauenmühle

Zarter Farbgeber

Zwergenhaus

Wehr/Talsperre
Pölzlmühle

Übrig geblieben

Eisenschaum

Wasser in der
Lainsitz?

Schrei nach
Wasser

Fluss ohne
Wasser

Quereinsteiger

Pölzlmühl

Wadi Lainsitz

Rinnsal

Kein Naturereignis

Durstiges Reh

Rückstau

Sägewerk
Pölzlmühle

Am vollen Mühlbach